In Deutschland hörte ich oft, dass Südamerika ein unsicheres Pflaster ist. Deshalb war ich die ersten meiner 200 Tage auf diesem Kontinent sehr bedacht unterwegs. Ich hatte meist nur das Nötigste in meinen Taschen und vermied es, mit umgehängter Kamera durch die Straßen zu laufen. Trotz meiner Bedenken fühlte ich mich in Montevideo und Buenos Aires sowohl bei Tag als auch bei Nacht sicher.
Als es dann auf die Straße ging, kam ein wenig der schon abgelegten Unsicherheit zurück. Da mir in Europa schon dreimal ins Auto eingebrochen wurde, fällt es mir nie leicht 307D am Straßenrand abzustellen. Aber mit jedem Tag und jedem Kilometer den wir zurück legten wurden die Sorgen geringer. Wir ließen Städte wie Rosario, Cordoba & Mendoza ohne Probleme hinter uns und fuhren langsam dem immer dünner besiedelten Süden entgegen. Schon bald drehten sich meine größten Sorgen um einen geplatzten Reifen oder darum, dass mir die selbstgebaute Decke auf den Kopf fällt.

Auch die Nächte waren sehr angenehm. Ob in der Stadt, am Fluss, am See oder am Meer, jeder Ort hat seine eigenen Geräusche. Da die Türen nicht ganz dicht sind bekomme ich das natürlich mit. Ich habe gemerkt, dass ich nicht ganz so tief schlafe und in der Nacht weckten mich schon die unterschiedlichsten Dinge. Von Füchsen die unter dem Auto nach Essensresten suchten, Kühen und Pferden die sich daran rieben oder einem betrunkenen Punta Arenaser der versuchte 307D zu schütteln. Wirklich wach gehalten hat mich aber nur die erste stürmische Nacht im Torres del Paine Nationalpark. Bei Windgeschwindigkeiten von über 80 km/h ist das Auto einfach nicht die optimale Schlafgelegenheit.

Dieses schöne und sichere Bild, dass ich bis jetzt von Südamerika hatte bekam in letzten Tagen leider ein paar Risse. Seit ein paar Wochen war ein Aufenthalt in Valparaiso fest eingeplant. Ich wollte mir die Stadt anschauen und länger dort bleiben. Um mir einen Überblick über eventuelle Schlafplätze zu verschaffen warf ich einen Blick in verschiedene App’s. Die Beiträge auf die ich stieß, gaben mir aber kein gutes Gefühl. Das erste Mal laß ich von zerbrochenen Fenstern und Raubüberfällen mit Waffeneinsatz. Wenige Tage zuvor war ich in Conception schon unsanft durch einen heftigen Schlag auf die Seitenwand geweckt worden. Deshalb entschied ich mich auf einem überwachten Parkplatz im benachbarten und sichereren Viña del Mar zu schlafen. Die ersten Gespräche mit den Leuten vor Ort bestätigten mein Gefühl, dass ich damit die richtige Entscheidung getroffen hatte.



Bei einem Spaziergang durch die Gassen Valparaisos erzählte mir ein Einheimischer, dass sich die Stadt seit Corona leider sehr zum Negativen verändert hat. Vor fünf Jahren sagte er, konnte man spät Abends noch sicher alleine nach Hause gehen. Aufgrund der zunehmenden Bandenkriminalität ist dies allerdings nicht mehr möglich. Zu groß ist die Gefahr überfallen und verletzt zu werden. Deshalb verabschiedeten wir uns kurz nach Sonnenuntergang und ich nahm ein Uber zurück zu meinem Parkplatz. Auf der Fahrt wurde mir erzählt, dass selbst viele Taxifahrer ab 21:00 Uhr nur noch in Viña auf den Straßen sind und Valparaiso meiden. Für jemanden wie mich, der sich gerne frei und planlos bewegt ein komisches Gefühl. Noch nie hatte ich aus Sicherheitsgründen darauf achten zu müssen, rechtzeitig wieder zu Hause zu sein.
